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15. Februar 2017

Der Andere



Er hat in einem Buch über diese Geschichte gelesen. Und irgendwie hat es ihn anders gemacht, unglaublich schlicht, gebündelt in einem Satz. "Der andere ist der, den sie mich zu sein gelehrt haben, der ich aber nicht bin." Es wurde davon geschrieben, dass sich Menschen Pläne machen und das Geld im Vordergrund steht. Und dass die Menschen so viel Zeit damit verbringen, dass sie verpassen wie man lebt. Und hätten sie es einmal herausgefunden, seien sie meist alt und es für das Leben zu spät. Es ist wichtig, dass man das erkennt, findet er. Er ertappt sich oft, wie er mit dem Andern lebt. Wie er mit ihm im ständigen Dialog steht und schon der allein lässt unnötig Zeit verstreichen. Nicht nur der Dialog, sondern auch die Entscheidungen stellen die Weichen für das Nichterreichen eines Ziels. Das sperrt die Träume aus dem Kopf, wenn man schläft. Das lässt das Herz verstummen, wenn es eigentlich bebt.

Er erinnert sich, wann war er das erste mal nur im Jetzt? "Der Mensch ist ein Moment in der Zeit", Schiller hat das in etwa so gesagt, meint er. Ja und das Leben mit dem Andern ist das Hindernis, dass uns davon trennt.

Oft sitzen er und der Andere am gleichen Tisch, besprechen und beraten sich und ist er klug hört er einfach nur zu. Der Andere wird schweifend ausholen und jeden verbalen Kiesel finden, der nicht nur auf dem Weg liegt, sondern auch auf der Zunge brennt. Der Andere ist das, was dich trennt, deine Träume jetzt zu leben. Die Risiken die der Andere beschreibt bewusst einzugehen und zu sehen, wie es ist, wenn man die Kontrolle verliert.

Dann beginnt es ganz von selbst, als würde das Leben an den eigenen Zügeln geführt und das nur von sich selbst. Es ergeben sich Dinge, die man vorher nie absah und man sieht Zeichen, wo früher keine waren.

Das Leben mit dem anderen ist kein leichtes. Oft liegt er im Bett und wartet, hofft, dass die Zeit die verstreicht ist, was sie vorzugeben scheint. Sinnlos und enttäuschungsreich, weil man in so einer kurzen Zeit kaum etwas ändern kann. Dann denkt er wieder an das Buch von dem Mann, das er dort las. Er schrieb, dass jeder Tag Momente hätte, hat sie magisch genannt, weil wenn man sie zu nutzen wüsste, man alles damit verändern kann.

Nur einfach Augenblicke und der Andere sind das, was viele davon abhält, das zu sein was sie sind. Vorrangig ein Mensch und dazu da, um zu leben. Man muss nicht allem zwangsläufig einen Sinn geben. "Für vieles Existentielle gibt es gar keinen Grund." Er ermahnt sich, seine Sinne zu schärfen, gleichzeitig die Zügel abzugeben, an das Universum, weil es sich von selber lenkt. Aber dass er trotzdem wach ist - im Moment - und kein Zeichen übersieht. Dass sich die Zweifel, die der Andere säht nicht irgendwo hin verirren, wo sie nichts zu suchen haben. Er beachtet sie, doch ist er nur ein Flughafen und der Andere auf der Durchreise. Er kommt ihn zwar immer wieder besuchen ja, doch ist es manchmal, als würde man mit einem alten Freund zu Abend essen. Man erinnert sich, an Situationen und an Menschen, in denen man die gleichen Dinge dachte, in denen der Andere einem auf die Schulter klopfte.

Aber der Andere hat nun viel weniger Platz, denn man ist gewachsen. Und auch wenn er oft noch mit ihm redet, weiß er woran er ist. Ihm wurde gelehrt, er sei der Andere, aber er weiß, er ist es nicht.

20. Dezember 2016

Zentripetalität



Vielleicht ist es ja das Prinzip der Zentripetalität. Die Maxime, nach der man lebt, kommt zu einem zurück und man zieht alles an, wie ein Magnet, was man nicht von sich stößt. Dadurch ergeben sich Gelegenheiten und Bekanntschaften von ganz allein, für manche mag der Begriff auch Schicksal sein, doch vielleicht gibt es dort eine Kausalität.

Man redet viel über Anziehung und Wirkung auf andere Menschen. Entweder ist es Selbstsicherheit oder die Ängste mit denen wir kämpfen, die bedingen wen man trifft. Ob das der Zusammenhang ist, dass man Dinge erfährt, in Situationen, in denen es einem selbst ähnlich geht? Das Baader-Meinhoff Phänomen?

Vielleicht ergibt sich aus dem Menschen heraus ein beispielhafter Tag am See, den man mit einem guten Freund verbringt. Mit dem man über eben jene Dinge versucht zu reden, die einen bewegen und merkt dass dort per Zufall sehr ähnliche Gedanken entstehen. Ich sagte ja schon, vielleicht ziehen sich solche Dinge an wie ein Magnet den anderen.

14. Dezember 2016

Stargate



Als sie noch jünger waren, hatten sie ein Portal zu den Sternen entdeckt. Doch hatten sie sich irgendwann verloren und seitdem sitzt jeder von beiden hier fest.
Sie hatte auf die obsidianfarbene Oberfläche des Mondes geblickt. Die Asche und der Staub von Zivilisationen hatten hier einst alles bedeckt. Die Zeit alleine hatte ihr viel positives geschenkt und unabhängig von allem, suchte sie nach ihrem Geschick.

Er strandete, wo eins das Portal gestanden hatte. Die Bögen der Apparatur staken in den Himmel, wie die Rippen eines Kadavers und als er sich in den Ruinen des Mondes umsah, wusste er, dass außer ihm keiner mehr da war. Der Wind pfiff in die Schluchten und Gruben, unaufhörlich und suchte nach Kanten und Zacken und Rufen, um sie gegen Wände und durch die Zeit zu schleudern.
Er schaute auf seine Hände, die rau und verblichen aussahen und krallte sie in den Aschenboden, um sie zu wärmen.
Von da an war auch er auf sich allein gestellt und suchte nach einer Fährte. Dem Roten Faden der Geschichte. Der Schnur die das Geschenk des Lebens zusammenband. Orientierungslosigkeit machte ihm dieser Tage schwer zu schaffen und beinahe hätte er aufgegeben.
Er sah in vielen dunklen Ecken und in den Rissen an den Wänden Widerhalle seines alten Lebens, und ihm war klar, wäre er früher aufgebrochen, wäre er verendet. Man konnte weitergehen, oder nach hinten blicken, doch dabei vergaß man seine Schritte.

Er hatte seine Wahl getroffen. Auch wenn sie sich für den Augenblick verloren hatten, sich nur durch einen Schleier zu sehen vermochten, auch wenn es schmerzte, er würde sie finden.

27. November 2016

Plutos Märchen



Es gibt eine Erzählung über einen jungen Mann, der auf einer fremden Welt gestrandet war. Er wusste nicht mehr, wie er dorthin kam und weswegen. In der Geschichte wird es darum auch nicht gehen.

Er ging, wie so oft über die Oberfläche des Planeten. Seine Füße würden Furchen ziehen, er würde sie später sehen, wenn er ihnen wieder begegnete. In der Zeit, bevor er hier war, hatte er Dinge zum Überleben gebraucht. Schlaf, etwas Wasser, Essen, menschliche Nähe vielleicht auch, aber nun war das alles unwichtig. Er wurde zu einem perpetuum mobile, mit jedem gemachten Schritt.
Auch sein Zeitgefühl hatte er verloren. Irgendwann war es ihm abhanden gekommen während der vielen Stunden, die er mit dem Umrunden des großen Trabanten verbrachte. Er versuchte sich an einer geraden Linie, aber es war verzeihlich wenn er sie nicht schaffte. Die Gedanken in seinem Kopf krochen mit ihm voran. Über jede Düne, durch jeden Sturm, jeden Hang hinunter begleitete ihn die Stimme in seinem Kopf. Sie erinnerte ihn an das, was verloren war, oder vielleicht wartet es noch - er wusste es nicht. Er wusste nur, dass diese Stimme zu ihm spricht, wenn er an nichts anderes dachte.

Er legte den Kopf in den Nacken und schaute nach oben, solange bis seine fokussierten Pupillen den Halt an den Sternen verloren und er nur noch starrte, in die Ferne. Eine ungefähre Richtung, an der er sein Ziel wähnte. Er hielt inne. Genoss für einen Moment die Stille, die ihn sonst immer zum Ersticken bringt.
Er würde sie finden, seine Sonne. Wie sein Zeitgefühl war auch sie ihm abhanden gekommen und seitdem suchte er jeden Tag, sie zu finden. Zog seine Kreise immer weiter und tiefer in die Rinde des Planeten. Man musste diese Furchen schon von weit her sehen, dachte er manchmal. Manchmal, wenn er sich verfluchte, keine leserliche Botschaft geschrieben zu haben.

Jahre ging er nun schon über den Planeten. Hatte viele Ecken, wähnte jedes Staubkorn schon gesehen. Er tat nichts anderes, als zu laufen. Eine Umrundung und noch eine, irgendwann hörte er auf zu zählen. Er wusste nur er musste weiter, egal wie viele Schritte er noch gehen und egal wie viele leben er noch leben musste.
Eines Tages lösten sich seine Sohlen vom Boden, doch er bemerkte es nicht. Er war viel zu sehr mit gehen beschäftigt und er war fokussiert. Mit jedem Schritt ein Stück weg von hier und doch dem Anfang näher als er es davor war. Er hatte nur die Sehnsucht, die ihn zog.
Und so geschah es, dass er nicht bemerkte, als es ihn in den Himmel hob. Er hörte niemals auf zu gehen und wären deine Augen gut genug, könntest du ihn jetzt noch sehen, wie er seine Kreise zieht. Wie Pluto zu seinem Mond kam ist die Geschichte, Plutos Junge, die Geschichte ist schon alt, doch der Name blieb.

17. November 2016

We have yet to return to the moon

Als er auf Plutos Mond gestrandet war, war es zunächst ein Segen. Er war umher gelaufen zwischen Dünen und Klippen in Winden und Nebel. Er hatte viel gesehen. Nur an die Reise erinnerte er sich nicht. Und auch der Weg, den er zurück gelegt hatte, verschwand aus seinem Gedächtnis, Stück für Stück.
Irgendwann war dort nichts. Genauso nichts, wie das, was ihn umgab und kämpfte er noch anfangs an, wandte er sich doch bald ab.

Als er sie dann dort erblickte, mit scharfen, selbstbewussten Schritten durch die Dünen pflügend, legte sich sein Lächeln auf die Lippen. Hier war sein Wichtiges Dazwischen.
Er hatte sie begrüßt und herausgefunden, was er schon wusste. Es gab einen Sinn, wieso er fand, was er vorher niemals suchte und wieso sie gekommen war, wenn sonst keiner kam. Er war kein Pariah. Doch das hatte er erst begreifen müssen, und hatte es unterwegs getan.

Als er losgegangen war mit ihr, Hand in Hand. Sie sahen seine alten Spuren in dem Sand des Planeten, der sich unter ihnen drehte. Tagsüber zogen sie nun zwei Schneisen durch die Oberfläche, und irgendwann schafften sie es wohl zurück. Doch wie das von Statten kam, auch daran erinnerte er sich nicht.

Nachts standen sie auf den Dünenkuppen. Es war keine einfache Reise und oft waren sie zusammengebrochen. Doch wusste er, dass es sich lohnte immer wieder aufzustehen. Auch wenn es nicht einfach war, auch, wenn man drohte unterzugehen.
Sie standen wieder hoch auf einer Klippe, ihre Augen flossen über ihre Lippen. Und auch seine waren zugekniffen und es schmerzte. Trotzdem fanden sie sich zum Küssen.


3. Oktober 2016

Unterwegs


Als die weißen Mittelstreifen links und rechts in einem Schleier vorbei zogen, sagte er:
"Weißt du, manchmal verliert man sich im Nebel. Im Durcheinander, zwischen den Dingen."
Er wusste nicht recht auszusprechen, was er dachte.

Die Nacht prallte an ihrer Windschutzscheibe ab, nur hereingelassen in lautem Knattern, durch das offene Fenster. Die Luft schmeckte kalt und feucht vom Regen, der wie eine sanfte Decke über den Asphalt gebreitet lag. Eine Stunde zuvor mussten sie halten, da man selbst mithilfe der Scheibenwischer nichts mehr sah.

"Dann ist alles mehr oder weniger dasselbe und es kommt einem vor als bewege man sich, wie eine Puppe im Theater von Szene zu Szene. Man sieht nur dem Schauspiel um einen herum zu und begreift erst im Nachhinein, wie sich das Spiel entfaltet."
Auswirkungen zeigten sich nur dann, wenn genug Zeit verstrichen war und man die Distanz besaß, von oben zu blicken. Viele Fehler hatte er gemacht, um sich dessen sicher zu sein und er war oft verblendet genug gewesen, zu denken, die Lektion gelernt zu haben.
Doch aus so einem Prozess kommt man nicht so leicht heraus.
"Man muss auftauchen, um wieder Luft zu kriegen. Den rasenden Kopf anhalten, um klar zu sehen. Um dem anderen das geben zu können, was er verdient."

Er redete mehr zu sich selbst, während er auf die Straße blickte. Die hellen Punkte ihrer dunklen Augen drückten von der Seite, und die Mähne, der Strahlenkranz um ihren Kopf, wirbelte im Luftzug durch die Kabine. Er wusste wie sie ihn ansah, und er wusste, dass sie verstand, selbst, wenn er selbst nicht wusste, was er meinte.
Oft stellte sie ein Gefühl in ihm fest, dass ihm selbst nicht aufgefallen war. Ihre Augen sahen tiefer in ihn, als er es selbst konnte und sein Herz explodierte mit jedem Schlag in ihrer Nähe.

Das Rauschen des Gegenverkehrs füllte die kurze Stille und die Lichtschlieren zogen ihre Spuren durch den Wald.
"Manchmal muss ich kurz die Welt anhalten um den Moment zu sehen, der so schnell weg ist, dass ich ihn kaum greifen kann. Muss kurz stoppen, damit ich nichts übersehe, damit ich aufwache in der Zuschauerloge."

Er wollte sich nicht mehr im Rausch der Realität verlieren, wollte sich nicht abgeben damit. Es war nicht leicht, dass hatte er schon festgestellt, aber er arbeitete daran. Er würde die selben Fehler nicht noch einmal machen, sondern es einmal richtig.
"Ich werde immer anhalten, immer versuchen aufzuwachen, um dich so zu sehen, wie du gesehen werden musst. Auftauchen auf dem Alltagstrott, weil jeder Augenblick mir mehr bedeutet, als das Drumherum. Ich will mich nicht mehr verlieren, sondern im Jetzt sein, mit dir."
Er sah sie an, wie ihr Blick in der Dunkelheit verschwamm und das Lächeln in ihrem Gesicht.

Sein Herz explodierte. Wie immer, eigentlich.

14. September 2016

Rückblende

Er blickte auf den Zettel herab, als er am Straßenrand stand. Vor Jahren hatte er das geschrieben. In einer Hand das Papier, die andere mit Daumen ausgestreckt in Richtung neues Ziel fing er an zu lesen. Viel hatte sich seitdem verändert, nicht mal der Name war geblieben.

"Das Brummen des Motors dröhnte hinter ihm, und Autos, von ihm durch eine Leitplanke abgetrennt, schnitten davor die Luft in fühlbare Scheiben. Eine tiefe Nebelwolke hing in der Senke und berührte die Wipfel der uralten Bäume, die sich wie Finger in die mittelgraue Wattedecke gruben. Der Asphalt der endlosen Autobahn pflügte mitten hindurch, und das unaufhörliche Vorbeirauschen der Autos schien das Undurchsichtige von der Fahrbahn fern zu halten.
Er stand auf einem Rastplatz, am Rande der vier Spuren und lehnte an dem türkisenen VW-Bus, von dem an manchen Stellen schon die Farbe abblätterte und den rotbraunen Rost darunter freigab. Es war nasskalt, feucht und die Luft schien dick und schwer auf die Tautropfen zu drücken, die sich an die tiefgrünen Grashalme klammerten.
Der Paperman knöpfte sich den Mantel höher zu. Eine Hand tastete in seiner Tasche und zog eine Schachtel Glimmstängel hervor. Der gewohnte Geschmack einer noch unbenutzten Zigarette berührte seine Lippen und es knisterte Leise, als die schwache Flamme des Feuerzeugs gegen den allgegenwärtigen Wind ankämpfte. Er wartete. Zug um Zug wurde die Kippe kleiner, veraschte sich, wehte davon. Bekam etwas neues zu sehen.
Er sah nach oben. Wo war er jetzt? Wie weit war es noch? Wie lange dauerte seine Reise schon und wie lange würde er noch gehen müssen? Es war ihm egal. Zufriedenheit breitete sich aus, genau wie ein Lächeln in seinem unrasierten Gesicht. Ein Mädchen lief auf ihn zu, sie schwang eine Tüte über dem Kopf und lachte. Ein seltsamer Druck auf dem Herzen, dieses Lachen.

Sie setzten sich in den Bus und die Türen knarzten leise, als sie zugeschwungen wurden. Der Motor dröhnte ein wenig lauter, und zurück blieb nur der flüchtige Schall ihres hellen Lachens, und die Asche am Boden.
Und die Erinnerungen. Auch sie bleiben.

18.12.2011"

12. September 2016

Reise

Die Lichter der Stadt glänzten in den Rückspiegeln. Er hatte noch einen weiten Weg vor sich und er würde nicht zurück blicken. Er war lange genug vor seinen Ängsten davon gerannt, und er war zu alt und zu müde, um weiterhin davon zu laufen. Die Rücklichter der Autos hatten schlieren durch die Nacht gezogen, durch die großen Felder, deren Farbe man im Abendrot nur noch erahnen konnte. Er saß noch immer auf dem Hügel weit draußen vor der Stadt, als er plötzlich aufstand und mit bedachten, sorgfältig abgemessenen Schritten zum Rand der Straße gegangen war.

Seinen türkisen Bus hatte man geklaut, er wusste nicht einmal mehr wann. Es kam ihm vor, wie ein anderes Leben, er hinter dem Steuer sitzend und mit Beifahrer auf unbekannten Wegen. Er hatte viel gesehen. Die Menschen die er mitnahm, sich schlängelnde Straßen durch den Nebel, hohe Bäume und Lachen von Menschen, bei denen er hoffte sie würden ihn begleiten, bis zum Ende.

Früher hatte er oft daran zurück gedacht, war nicht mehr er selbst gewesen, wenn er sich zwischen Gefühlen und der Vergangenheit verloren hatte. Er hatte eine Sehnsucht verspürt zu Dingen, die nicht mehr existierten und er musste sich oft korrigieren. Er hatte nicht mehr eine Person vermisst, sondern ein Gefühl. Er hatte sich zurück gewünscht, was es nicht mehr gibt. Und letzten Endes hatte ihn das zerstört. Sachte und leise, aber unaufhörlich. Eine schleichende Sucht nach ein wenig Emotion.

Manchmal war es anders herum. In solchen Momenten wollte er einfach nichts mehr spüren. Sich nicht mehr aufreiben in seinen Gedanken, sondern einfach Ruhe haben. Dann hatte er sich verloren, im Rausch, in Drogen und als es schließlich soweit war, dass nur noch eine taube Leere herrschte, war es ihm zu viel.
Er war noch nie ein Mensch der Kompromisse gewesen, das hatte er gewusst. Er war immer gewandelt, zwischen den Extremen. Das hatte er gesucht. Er wollte nicht in der Mitte leben hatte eine Abneigung dagegen und nicht einmal gewusst warum.

30. August 2016

Wasserstoffbrücken schlagen


​Als das Sternenkind auf Pluto ankam, weckte es ihn aus einem Schlaf, in welchem er lange gewandelt war. Stück für Stück sorgte sie dafür, dass der Nebel lichter wurde, der ihn umgab. Mit jedem Wort, jeder Berührung und jedem Satz. Sie sah nicht nur wer er war, sondern spürte jede Kleinigkeit und er liebte sie dafür. Ebenso, wie sie ihn.

In dem Durcheinander, das die Welt um sie herum bestimmte, war es kaum ein Zufall, dass sie sich im Auge eines Sturms gegenseitig finden würden. Und obwohl das außen weiter tobte, fanden sie einen Platz, den sonst niemand kannte.

Manchmal saßen sie unter dem fernen blinken hoch am Himmel und sprachen über die Bewegung aller Teile zwischen ihnen, in ihnen und die Verbindung, die das getose zusammenhielt.

Sie zogen ihre Kreise immer enger. Vor dem Urknall war jedes Stück beisammen und so wie es sich anfühlte, kamen sie nun zur Ruhe, aneinander, um zu wachsen, da sich die Teile, die am Anfang zusammen waren, nach langer Suche nun endlich gefunden hatten.

4. August 2016

Nichtgefunden | Gefunden

Dies ist die Geschichte von einem, der auszog, um Paris zu finden und unterwegs erkannte, dass es nicht so schlimm ist, wenn man ganz wo anders endet.


Der junge Mann stand vor der Stadt, die er seit, wie es ihm vorkam, ewigen Zeiten zu erreichen gedacht hatte. Wie eine schmerzliche Erinnerung hob sie sich vor dem rotvioletten Himmel ab und ihre Dächer staken in die laue Herbstluft. Wie oft hatten ihn seine Schritte wieder in ihre Richtung gelenkt, als er sich längst abgewandt hatte?

Das war der falsche Weg gewesen, das hatte er erkannt. Als er auf seiner Reise in einem Straßengraben im Matsch gestrandet war, kaum mehr fähig zu weiteren Schritten. Als er auf seine ehemals schönen Hände herabgesehen hatte und merkte, wie sie zitterten.
Man konnte sich nicht vor dem Leid verstecken, das mit der Erkenntnis kam. Man konnte sich nicht verschließen, vor dem Schmerz, der einem hinterher gerannt war, egal wie weit man flüchtete. Irgendwann ging es nicht mehr weiter. So viel wurde ihm bewusst, während er hinauf in die Leere starrte. Angekommen auf einem anderen Planeten, auf dem er sich nicht einmal selbst erkannte.

Das war der falsche Weg und er war töricht genug gewesen, ihn zu gehen. Und so hatte er sich abermals treiben lassen und war in ihre Nähe gewandert. Diesmal nicht einem Urtrieb folgend, sondern in vollem Wissen darüber, dass er dem Ende seiner Selbst entgegentrachtete. Und er ging.

Vielleicht nicht wie ein Gehenkter seinen letzten Marsch tat, aber in vollem Wissen, dass er niemals ankam. Und das war auch gut so, wie er später sagte.
Er ließ sich darauf ein. Auf das, was er nie mehr sehen wollte, auf das, was er zu fühlen sich verboten hatte. Er öffnete sich für den Schmerz, vor dessen Woge er nachts gezittert hatte, wenn er einsam und wie betrunken auf einer Wanderschaft war, die ihn nirgends hin führen konnte, außer in einem Bogen zurück zu dem Ort, von dem er aufgebrochen war. Er ließ es ein in sein Herz.
Doch war es nicht das Pochen eines Verlustes, das ihn dort traf, sondern eine Erleichterung, die zu spüren er nie erwartet hatte. Vergeben tut man letzten Endes nicht um seiner selbst willen, oder wie diese vermaledeite Phrase sonst noch heißt. (Vielleicht stimmt das nicht ganz, aber dies hier zu klären ist nicht Sinn der Sache.)

Er war wieder zurückgegangen und -gekehrt, an den Ort, an dem vor Jahren sein Geschick sich neu begründet hatte. Ohne Reue, ohne Angst, ohne einen Abschied auf den Lippen. Abschiede hatte er genug getan, und es würde keinen mehr benötigen, das war ihm klar. Es gab auch niemand, der ihn hören würde, selbst wenn er einen Sprach, aber das war nicht mehr von Bedeutung.
Irgendwann kommt man immer an. Vielleicht nicht da, wo man wollte, aber niemand hat vorhergeplant.

Als er schließlich über die Kuppe ging, und jene Stadt und ihr geschäftiges Treiben vor sich ausgebreitet sah, setzte er sich hin, und versuchte alles in sich aufzunehmen. Ihm war es nicht gegönnt, noch einmal ihre Straßen zu betreten, aber auch das war nicht weiter schlimm. Letzten Endes hatte er sie selbst als Ziel erkoren, aber das war nicht vorherbestimmt. Er nahm dieses Wissen nun in sich auf, und anstatt, dass er nun vor Schmerzen krampfte, legte sich ein Lächeln auf sein Gesicht.

Er sollte nie dort ankommen, und er war es wohl auch nicht. Wenn man los geht, findet man sein Ziel, egal welches das ist. Es ändert sich vielleicht auf dem ein oder anderen Stück, aber letzten Endes, ist da wo man ankommt, sein echtes, sein persönliches Glück.

30. Juli 2016

Strömung


​Das große Weinglas neben dem kleinen. 
In der Seele vereint und doch zwischen deinen Worten hindurch gespürt, finde ich zu dir.
Zwischen den Laken treiben wir umher.
Dein Mund blüht zwischen allem und ich verliere mich im Hier.

20. Juli 2016

Zwischen den Fugen

ganz wald weg | oc by plutomond

Wenn man zwischen die Fugen gerät, hat man zumindest die Chance, alles aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Wenn man es schafft, Distanz zu wahren zu den unwichtigen Sachen. Wenn man lernt zu verstehen, dass alles seinen Platz hat, auch wenn man selber mitten drin steckt, zwischen dem, wo und wer man gern wäre, und dem jetzt. Wenn man weiß, dass man bloß unterwegs ist, nimmt einem das die Angst. Wenn man weiß, dass man irgendwann ankommt, ist man vielleicht schon da.

18. Juli 2016

Fragmentierung des Ichs II

Ich will eine Fragmentierung des ichs, versuche mich in meine Einzelteile zu zerlegen, um zwischen ihnen für einen kurzen Augenblick aufzuleben. Ich will kurz die Melodie des Lebens sehen, die alles um uns her durchdringt, weil alles irgendwie zusammenhängt. Weil ich mich wiedersehe in den Teilen die du schenkst und auf den Scherben am Boden, auf denen das Licht sich bricht.
Möchte kurz untertauchen, niedergehen, vor jedermanns Gesicht, um danach wieder aufzustehen und vorwärts blicken, mit bestimmten Schritt.
Will das, was ich eins war vernichten und alle ideale mit Füßen treten, wenn sie verschleiern wer ich bin. Will mich akzeptieren lernen, jedes noch so kleine Stück, und es dann hoch und höher heben, auf das jeder es sieht.
Will jede Scham und Peinlichkeit erleben, und das allerhöchste Glück. Will jedes Gefühl mitnehmen und mit dir teilen, das es da draußen gibt.

13. Juli 2016

Sternenkind


sternenkind | oc by plutomond

Die Nachtluft erfasste ihre Haare und kitzelte ihn an der Nase. Er hatte sich zurückgelehnt, auf der hölzernen Bank auf dem Balkon am Vorstadtrand, ein Glas Wein in der Hand und schloss die Augen. Die Kräuter wiegten sich vor ihnen in den Kästen und nickten, zusammen mit den Ästen, zu der Melodie, die sie umgab.
"Weißt du, ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sag', aber du hast mich dazu gebracht, oder viel mehr geholfen, mich zu mögen."

Er sann ein paar Momenten seinen Worten nach, die Blätter um ihn herum schienen sie zu flüstern. Manchmal erfüllt ein Vibrieren die ganze Luft und eine Membran in einem fängt an zu schwingen. Dann weiß man, dass man den Richtigen Platz gefunden hat, wenn das Sein selbst anfängt zu singen.
"Solche Momente reihen sich aneinander, wenn ich hier bin.", sagte er zu niemandem Bestimmten und nach Augenblicken sah er sie an. Wie es seine Gewohnheit geworden war, fingen die Ängste an, in ihm zu schwinden, wenn er in ihre Augen blickte.

"Irgendwie weiß ich, dass ich hier richtig bin. All das, wofür ich jahrelang auf Suche war, hab' ich bei dir gefunden."
Manchmal fehlte der Ausdruck für das, was er sagen wollte, doch diesmal schien es, sollte es gelingen. Die Welt um sie herum vergaß für einen Blick zu Atmen und ihr Selbst fing an zu klingen.
Mit der Existenz, die sie mit ihrer Symphonie und dem Drumherum verband und untereinander, und den Sternen.

3. Juli 2016

Was zu Hause heißt


Ich weiß wie es ist Angst zu haben. Ich weiß wie es ist zu vereinsamen und innerlich zu verkümmern. Darum versuche ich, niemals zuzulassen, dass du diese hast. Oder einen Verdacht, etwas würde nicht auf Gegenseitigkeit beruhen, oder dass du dir Gedanken machst. Ich bin wegen dir hier, und nur wegen dir. Ich hab bereits zu viel Unsinn hinter mir, um mich auf etwas einzulassen, das mich krank macht. Und wie du weißt, ist bei dir das Gegenteil der Fall. Es ist so, dass du mich heilst - diesen Anspruch hab ich aber nicht an dich - ich will nur dass du weißt, dass du für mich das Beste bist.

Ich hab es dir bereits gesagt, zwischen den Schlucken Wein, auf dem Balkon, in dieser Sommernacht. Ich dachte nicht, dass ich jemanden treffe, der all das mit mir teilt und mein Ich als solches nimmt. Mir das Gefühl gibt, all das war vorherbestimmt.

Ich war eingesperrt zwischen Unsichtbaren Wänden, rannte her und hin, fing an, mich an Bedeutungsloses zu verschwenden und kam doch nie zur Ruhe. Ich war rastlos und begann, von dieser Welt zu schwinden, ganz langsam und unmerklich. Aber als ich dich traf, hatte ich seit Urzeiten wieder das Gefühl, nach Hause zu finden.


29. Juni 2016

V3


I wanted to write about love, about the beauty in the world that I had seen. I wanted to tell everyone, everything about each detail and the amazing chaos of in between, in and around us. In the end I wrote about only you.

3. Mai 2016

Verheddern & Entknoten



Manchmal, da sah er sie einfach nur beim Reden an. In den Momenten, in denen die Grenze zwischen ihr und dem Moment verschwamm und sie nur Sie war und sonst nichts. Nicht, dass es zwischen ihnen noch Fassaden gab, doch manchmal wirkte die Realität um sie herum ein wenig weniger echt.

Sie verlor sich oft zwischen den Dingen, und er wusste damals nicht wohin mit sich. Er hatte auch die Hoffnung aufgegeben, dass da nochmal etwas ist, das sich vergleichen lässt. Und jetzt weiß er, das ist es nicht. Vergleichbar.

Eher unglaublich und wenn er so in Gedanken daran versank, war ab und an eine Schelle nötig um nicht vollkommen abzudriften. Wie kann es sein, dass sie ihn so verstand? Dumme Frage eigentlich, denn Gründe für so etwas gibt es nicht. Abgeschlossen, das hatte er damit. Mit Zwischenmenschlichkeiten und dem wirklich wichtigen eigentlich.

Damals hatte er sich in sich selbst verfangen, hatte sich verstrickt in Nebensächlichkeiten und saß zerstreut neben dem ganzen Bedeutungslosen und versuchte die Scherben zusammen zu kehren. Doch das alles braucht es nicht, als sie ihm gezeigt hatte, wie sich Licht auf dem Haufen bricht, wenn es darauf fiel.

Er war die Erkenntnis, und sie das Verständnis. Er war verheddern, sie entknoten. Er die Suche, sie Gefunden.

24. April 2016

V.




"Weißt du, auch wenn ich schon einen Ansatz habe, weiß ich immer noch nicht so genau, wo ich eigentlich hin will."
Er saß am Rand des großen und verwüsteten Bettes. Sein Blick schien durch die Welt hinter der Balkontür in die Nacht gerufen worden zu sein und jeder Gedanke sofort in die Dunkelheit davon zu verschwinden, wenn er ihn nur all zu angestrengt zu greifen dachte.
Eine Hand legte sich ihm auf den Rücken. "Viel zu lange Finger, für eine Frau sowieso," er hatte ihr damals den Mund mit seinem verschließen müssen, als sie das sagte, da sie es nicht hatte zurück nehmen wollen.
"Du gehst mit dir selbst zu hart ins Gericht", meinte sie. Ihre nackte Brust hob und senkte sich, als die Glut nahe ihrem Mund kurz aufblitzte, ein kleines verschmitztes rotes Auge zwischen den zwei schlauen Braunen. Sie schienen immer ein Stück zu weit in ihn hineinsehen zu können. Aber das war etwas, das ihn lange nicht mehr beunruhigte. Im Gegenteil.
"Trotzdem hat es mich so lange keinen einzigen Zentimeter weiter gebracht. Ich bin immer noch genauso weit." Er schüttelte den Kopf, machte die Balkontür auf und ließ das verschlafene Murmeln der umgebenden Gassen herein.

Die Nachtluft strich ihm über die Wange und ließ seinen hitzigen Kopf abkühlen. Als er ihre Wärme an seinem Rücken spürte, ließ er sich etwas nach hinten sinken, ließ ihre Mähne ihn im Nacken kitzeln, als sie ihn umarmte.

"Man muss nicht unbedingt die passenden Antworten parat haben. Manchmal reicht es schon die Richtigen Fragen zu stellen." Sie küsste ihn.

Er hatte nie verstanden, wie ein Mädchen, dass von sich selbst immer behauptete nicht sehr schlau zu sein, so wissend und so wunderschön sein konnte.

21. Januar 2016

Kampf gegen die Realität //

Es ist schwer im Moment zu leben, wenn objektiv die einzig gute Qualität das aufbereiten vergangener Ereignisse ist. Ich habe Realitätsflucht betrieben, in großem Maße. Habe mich verheddert zwischen Knotenpunkten aus Abschottung und Selbstdarstellung und einer Realität, die, nicht nur für mich, zunehmend im Netz stattfindet.

Und es ist schwer über solcherlei zu schreiben, wenn die Moralkeule so bequem neben dem Bild des Überblicks der eigenen Entgleisung hängt. Ich hatte in der letzten Zeit zu kämpfen, mit meiner eigenen Flüchtlingskrise. Das ist zugegebenermaßen ein sehr schlechter Vergleich und doch für mich teilweise zutreffend.

Ich kam mir fremd vor, in mir selbst. Den Wagen, den ich fuhr, habe ich konsequent in einem Matsch der Unsicherheit festgefahren und würde es in dem Sumpf eine Wand geben, wäre ich langsam aber sicher und ohne Airbags dagegen gefahren. Die Konsequenzen haben sich immer bemerkbarer gemacht und selbst unter Beihilfe von Betäubungsmitteln musste die Einsicht irgendwann folgen. Körperlich ging es mir schlechter, von psychischen Folgen ganz zu schweigen. Rückblickend könnte man sich selbst ohrfeigen dafür, wenn die Entfernung des eigenen Arms nicht viel zu kurz wäre, für das Ausholen, dass dieser Schelle eigentlich bedarf.
Zudem habe ich gemerkt, dass ich am besten schreibe (objektiv), wenn ich am ehrlichsten bin und kein Blatt vor den Mund nehme. Das hier ist also nicht nur ein Bloßstellen euch gegenüber, sondern gleichzeitig eine Kampfansage an das eigene Unvermögen. Oder eine Kampfansage an die Realität, vor der ich solange davon gerannt bin.

15. Januar 2016

Russisch Roulette // Staubtanz


Es gibt nur zwei Arten von Menschen auf der Welt. Leute, die Russisch Roulette gewonnen, oder nie gespielt haben. Zum Glück hatte er immer Pech in der Liebe.
Aber statt sich mit seinen eigenen Problemen auseinander zu setzen, hält man den kalten Lauf der Waffe lieber jemand anders an die Schläfe. “Dann ist es auch leichter abzudrücken.”, denkt er.
Er stand vom Tisch auf, auf dem sich glitzernd der Revolver drehte. Keine der imaginären Personen am Tisch folgte ihm. Sie saßen stillschweigend und sahen im nach, während er in den Sand einsinkend davon stapfte. Sie machten sich nicht die Mühe, ihm nachzujagen. Irgendwann würde er sich wieder zu ihnen an den Tisch setzen, die Trommel neu gefüllt, die Karten neu gemischt werden.

Das Kratzen verstummte und zurück blieben nur die Lichtflecke, die über die langsam verblassenden Spuren im Staub des Mondes tanzten.