3. Oktober 2016

Unterwegs


Als die weißen Mittelstreifen links und rechts in einem Schleier vorbei zogen, sagte er:
"Weißt du, manchmal verliert man sich im Nebel. Im Durcheinander, zwischen den Dingen."
Er wusste nicht recht auszusprechen, was er dachte.

Die Nacht prallte an ihrer Windschutzscheibe ab, nur hereingelassen in lautem Knattern, durch das offene Fenster. Die Luft schmeckte kalt und feucht vom Regen, der wie eine sanfte Decke über den Asphalt gebreitet lag. Eine Stunde zuvor mussten sie halten, da man selbst mithilfe der Scheibenwischer nichts mehr sah.

"Dann ist alles mehr oder weniger dasselbe und es kommt einem vor als bewege man sich, wie eine Puppe im Theater von Szene zu Szene. Man sieht nur dem Schauspiel um einen herum zu und begreift erst im Nachhinein, wie sich das Spiel entfaltet."
Auswirkungen zeigten sich nur dann, wenn genug Zeit verstrichen war und man die Distanz besaß, von oben zu blicken. Viele Fehler hatte er gemacht, um sich dessen sicher zu sein und er war oft verblendet genug gewesen, zu denken, die Lektion gelernt zu haben.
Doch aus so einem Prozess kommt man nicht so leicht heraus.
"Man muss auftauchen, um wieder Luft zu kriegen. Den rasenden Kopf anhalten, um klar zu sehen. Um dem anderen das geben zu können, was er verdient."

Er redete mehr zu sich selbst, während er auf die Straße blickte. Die hellen Punkte ihrer dunklen Augen drückten von der Seite, und die Mähne, der Strahlenkranz um ihren Kopf, wirbelte im Luftzug durch die Kabine. Er wusste wie sie ihn ansah, und er wusste, dass sie verstand, selbst, wenn er selbst nicht wusste, was er meinte.
Oft stellte sie ein Gefühl in ihm fest, dass ihm selbst nicht aufgefallen war. Ihre Augen sahen tiefer in ihn, als er es selbst konnte und sein Herz explodierte mit jedem Schlag in ihrer Nähe.

Das Rauschen des Gegenverkehrs füllte die kurze Stille und die Lichtschlieren zogen ihre Spuren durch den Wald.
"Manchmal muss ich kurz die Welt anhalten um den Moment zu sehen, der so schnell weg ist, dass ich ihn kaum greifen kann. Muss kurz stoppen, damit ich nichts übersehe, damit ich aufwache in der Zuschauerloge."

Er wollte sich nicht mehr im Rausch der Realität verlieren, wollte sich nicht abgeben damit. Es war nicht leicht, dass hatte er schon festgestellt, aber er arbeitete daran. Er würde die selben Fehler nicht noch einmal machen, sondern es einmal richtig.
"Ich werde immer anhalten, immer versuchen aufzuwachen, um dich so zu sehen, wie du gesehen werden musst. Auftauchen auf dem Alltagstrott, weil jeder Augenblick mir mehr bedeutet, als das Drumherum. Ich will mich nicht mehr verlieren, sondern im Jetzt sein, mit dir."
Er sah sie an, wie ihr Blick in der Dunkelheit verschwamm und das Lächeln in ihrem Gesicht.

Sein Herz explodierte. Wie immer, eigentlich.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Steigt ein! Mitreisende willkomen.