4. August 2016

Nichtgefunden | Gefunden

Dies ist die Geschichte von einem, der auszog, um Paris zu finden und unterwegs erkannte, dass es nicht so schlimm ist, wenn man ganz wo anders endet.


Der junge Mann stand vor der Stadt, die er seit, wie es ihm vorkam, ewigen Zeiten zu erreichen gedacht hatte. Wie eine schmerzliche Erinnerung hob sie sich vor dem rotvioletten Himmel ab und ihre Dächer staken in die laue Herbstluft. Wie oft hatten ihn seine Schritte wieder in ihre Richtung gelenkt, als er sich längst abgewandt hatte?

Das war der falsche Weg gewesen, das hatte er erkannt. Als er auf seiner Reise in einem Straßengraben im Matsch gestrandet war, kaum mehr fähig zu weiteren Schritten. Als er auf seine ehemals schönen Hände herabgesehen hatte und merkte, wie sie zitterten.
Man konnte sich nicht vor dem Leid verstecken, das mit der Erkenntnis kam. Man konnte sich nicht verschließen, vor dem Schmerz, der einem hinterher gerannt war, egal wie weit man flüchtete. Irgendwann ging es nicht mehr weiter. So viel wurde ihm bewusst, während er hinauf in die Leere starrte. Angekommen auf einem anderen Planeten, auf dem er sich nicht einmal selbst erkannte.

Das war der falsche Weg und er war töricht genug gewesen, ihn zu gehen. Und so hatte er sich abermals treiben lassen und war in ihre Nähe gewandert. Diesmal nicht einem Urtrieb folgend, sondern in vollem Wissen darüber, dass er dem Ende seiner Selbst entgegentrachtete. Und er ging.

Vielleicht nicht wie ein Gehenkter seinen letzten Marsch tat, aber in vollem Wissen, dass er niemals ankam. Und das war auch gut so, wie er später sagte.
Er ließ sich darauf ein. Auf das, was er nie mehr sehen wollte, auf das, was er zu fühlen sich verboten hatte. Er öffnete sich für den Schmerz, vor dessen Woge er nachts gezittert hatte, wenn er einsam und wie betrunken auf einer Wanderschaft war, die ihn nirgends hin führen konnte, außer in einem Bogen zurück zu dem Ort, von dem er aufgebrochen war. Er ließ es ein in sein Herz.
Doch war es nicht das Pochen eines Verlustes, das ihn dort traf, sondern eine Erleichterung, die zu spüren er nie erwartet hatte. Vergeben tut man letzten Endes nicht um seiner selbst willen, oder wie diese vermaledeite Phrase sonst noch heißt. (Vielleicht stimmt das nicht ganz, aber dies hier zu klären ist nicht Sinn der Sache.)

Er war wieder zurückgegangen und -gekehrt, an den Ort, an dem vor Jahren sein Geschick sich neu begründet hatte. Ohne Reue, ohne Angst, ohne einen Abschied auf den Lippen. Abschiede hatte er genug getan, und es würde keinen mehr benötigen, das war ihm klar. Es gab auch niemand, der ihn hören würde, selbst wenn er einen Sprach, aber das war nicht mehr von Bedeutung.
Irgendwann kommt man immer an. Vielleicht nicht da, wo man wollte, aber niemand hat vorhergeplant.

Als er schließlich über die Kuppe ging, und jene Stadt und ihr geschäftiges Treiben vor sich ausgebreitet sah, setzte er sich hin, und versuchte alles in sich aufzunehmen. Ihm war es nicht gegönnt, noch einmal ihre Straßen zu betreten, aber auch das war nicht weiter schlimm. Letzten Endes hatte er sie selbst als Ziel erkoren, aber das war nicht vorherbestimmt. Er nahm dieses Wissen nun in sich auf, und anstatt, dass er nun vor Schmerzen krampfte, legte sich ein Lächeln auf sein Gesicht.

Er sollte nie dort ankommen, und er war es wohl auch nicht. Wenn man los geht, findet man sein Ziel, egal welches das ist. Es ändert sich vielleicht auf dem ein oder anderen Stück, aber letzten Endes, ist da wo man ankommt, sein echtes, sein persönliches Glück.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Steigt ein! Mitreisende willkomen.